Meine Solaranlage
Stell Dir vor, es ist "Energiewende" und keiner macht mit. Nun denn, dann müssen
auch mal die faulen Rentner ran.
Initiierung
Gesagt, getan. Im Internet fällt sofort Yuma auf. Sehr
übersichtliche und anschauliche Webseite, kein Java-Gezappel wie bei vielen anderen. Alles
Wichtige sehr kompakt und leichtverständlich, auch für einen wie mich, der keine
Ahnung von nix hat.
Die c't ist voll von Balkonkraftwerken. Leider steht den ganzen Tag das Haus zwischen der Sonne
und meiner Veranda, da wird nicht so arg viel Sonnenschein zu holen sein. Aber: meine Veranda
hat eine Außensteckdose. Also nicht erst mal Leitungen verlegen, direkt einspeisen.
Veranda ist also nicht, aber der Nachbar hat ein Flachdach, das könnte was sein. Erst mal den
Vermieter (im Haus) fragen, was er davon hielte. Der ist sofort einverstanden
und hilft dann auch tatkräftig mit.
Bestellt ist gleich, und für einen knappen Tausender stelle ich mich auf
Lieferzeiten jenseits von sechs Wochen (plus) ein. Aber weit gefehlt: Montags
bestellt, Donnerstags geliefert. Obwohl die aus dem weit entfernt gelegenen
China kommen. Der Spediteur transportiert zwei riesige Kisten ins Wohnzimmer,
und kriegt von mir ein großzügiges Trinkgeld.
Als Erstes ist schon mal die DECT-Steckdose an meiner Fritzbox. Kinderleicht,
und schon meldet die Steckdose Null Milliampere Einspeisung.
Auspacken der ersten Kiste und montieren geht schon mal sehr einfach, dank
der mitgelieferten Montageanleitung. Und am nächsten Tag steht das Teil
schon auf meiner Veranda. Mal schauen, was da so hereinkommt, von meinem
300Watt-Modul.
Und schon am ersten Tag 150 Watt, wenn die Sonne so ab - späten - 18 Uhr
um die Ecke kommt.
©2023 by N. Thiess
Gegen 18:40 Uhr schiebt sich eine Wolke zwischen meine Yuma und die Sonne.
Aber schon bald wieder volle Leistung - was man halt so abends gegen 18/19 Uhr
volle Leistung nennt. Und der Hoymiles-Wechselrichter wird davon auch nicht
sonderlich warm.
Und ab auf's Dach damit
Mit tatkräftiger Hilfe meines Vermieters und seines Gartenhelfers kommen
beide Module dann auf's Flachdach meines Nachbarn. Die mitgelieferten 20m
Anschlusskabel mit dem Outdoor-230V-Stecker reichen prima bis zu meiner
Verandasteckdose.
Hier sind sie aus der Vogelperspektive.
So sehen die beiden Module auf dem Flachdach tatsächlich aus.
©2023 by N. Thiess
©2023 by N. Thiess
Energie satt
Und gleich am Tag 1, so ab 14:15 Uhr, ernte ich ganze 2,02 Kilowattstunden.
Am zweiten Tag sind es schon 4,5 kWh, und so geht es bei sonnigem Wetter
seitdem so weiter.
Auf dem Flachdach wäre noch Platz für mehr. Vielleicht speist mein
Vermieter ja auch noch seine zugelassenen 600W ein.
Aus diesen Stunden resultieren die ersten 50 kWh.
Und hier die Verteilung der ersten 13 Tage. Am 30.5. war Basteltag (Verlegung
der Einspeiseleitung in Kabelkanäle) und die Anlage für 1 1/2 Stunden
außer Betrieb.
Der erste Monat der Anlage. Ein Sommermonat: kaum Tage unter 4 kWh, nur selten
mal Gewitter und Sturm.
Nanu, nach zwei Monaten schon kaputt? Nö, nur ein Fall von tierischer
Einwirkung. Aber künstlerisch sehr wertvoll, wie sich das in der Stadt der
Künste auch so gehört. Gibt sich nach dem nächsten Regen dann schon
wieder.
©2023 by N. Thiess
Produziert schon sehenswerte Grafiken, so eine einfache Solaranlage, auch ganz ohne KI.
Und ab auf den Bürokratie-Gipfel
Die Digitalisierung und das Internet sind unser moderner Fluch: jeder baut
eine Webseite, mit deren Hilfe er jedem Besucher Löcher in den Bauch fragt.
Es gibt nicht die eine einzige Seite, auf der man so was anmeldet, sondern
jeder will für sich, und genau nur für sich, dass man Name, Adresse,
eMail und vieles anderes mehr ihm eingeben tut.
Ich will mit der Anlage kein Geld verdienen (was es eh kaum noch gibt). Die
600 Watt verschenke ich größtenteils an meinen Stromversorger, der
sich damit eine goldene Nase verdient. Aber jeder will von mir wissen, wieviel
er mir abknöpfen kann.
Wieso 600 Watt, die beiden Panele sind doch für 720 Watt gebaut?
Nun, da hat sich ein Lobbyist erfolgreich durchgesetzt, der es sich zum Ziel
gesetzt hat, soviel wie möglich Sand ins Getriebe der Solarpanele zu
kippen. In Deutschland (und nur in Deutschland) darf ich zwar bis zu
10 Ampere aus meiner Steckdose ziehen (z. B. mit einem Heizlüfter),
aber ich darf auf dem umgekehrten Weg nur 600 W in die Steckdose
hineinspeisen, was bei 230 Volt nur 2,6 Ampere entspricht. Und
gegen 720 Watt, entsprechend 3,1 Ampere, hat der Lobbyist es
irgendwie fertig gebracht, den Regelmachern in Deutschland einzureden, dass
da irgendwie Sicherheitsbedenken bestünden. Also zwar 10 A raus,
aber nur 2,6 A rein und nicht etwa 3,1 A. Leute, die glauben, mit
den zusätzlichen 0,5 A könnten die Kupferleitungen in meiner
Wohnung irgendwie Schaden nehmen, wenn der Strom in ihnen in der falschen
Richtung fließen tut, glauben auch an den Osterhasen. Wahrscheinlich
hat der Lobbyist die erfolgreiche Tätigkeit in seine Vita eingetragen,
mit der er sich beim nächsten Mal bewirbt.
Folglich hat mein Wechselrichter, der aus dem Gleichstrom der Solarpanele den
Wechselstrom für das Stromnetz der Entega macht, eine eingebaute Bremse:
oberhalb von 600 Watt macht er nicht mehr mit. Diese Bremse gibt es nur
in Deutschland, nirgendwo sonst. Gott-sei-Dank schaffen die Panele es nur
manchmal im Hochsommer, faktisch an diese Grenze zu stoßen. Der Lobbyist
hat zwar die Regel in Deutschland beeinflusst, aber hat damit praktisch gar
nix erreicht, außer dass es nun eine spezifisch deutsche
Wechselrichter-Version gibt. Sein Sand im Getriebe war also nur Gesteinsmehl
mit eher psychologischer Wirkung - ein Stilblüten-Placebo.
Aber die bürokratischen Stilblüten werden noch reichhaltiger, wenn
man der staatsbürgerlichen Pflicht nachkommt, die Anlage zu registrieren.
Als Erstes kommt das Marktstammdatenregister dran. Das ist noch zufrieden,
wenn man ihm mitteilt, dass die Anlage von den 720 möglichen Watt Leistung
bitte schön nur ganze 600 einspeisen tut.
Schon dreister ist mein Netzbetreiber. Er fragt mich hundert Löcher in den
Bauch, von deren Sinn ich gerade mal vier oder fünf einsehen kann, der
Rest ist für mich bedeutungsloses Blabla. Was fange ich bloss mit
Cosinus-Φ an und was genau trage ich da nun ein? Kann mal wer ein
einfacheres Script machen, was zum Anmelden von Klein-Vieh, wie bei mir,
geeigneter ist? Wahrscheinlich nicht.
Und, um die 400 Euro von der Stadt Darmstadt zu kriegen, um damit die 1.000 Euro
hohe Investition wenigstens teilweise abzumildern, muss ich noch mehr Löcher
in den Bauch gefragt werden. Nun soll auch noch mein Vermieter eine
Einverständniserklärung abgeben, dass ich das Ding auf das Flachdach
packen darf. Wenn ich dessen Zustimmung nicht schon von Anfang an gehabt
hätte, hätte ich gar nicht seine Wohnung als Transferzone für
die schweren Pakete nutzen dürfen. Auf die Frage an die Stadt Darmstadt,
wieso sie diese Erklärung brauchen, kriege ich natürlich keine
vernünftige Antwort. Wahrscheinlich war da nur wieder so ein Lobbyist
am Werk, mit seinem Sandkännchen. Die 400 Euro sind auch Mitte
September noch immer nicht auf meinem Konto eingegangen, gut Ding will halt
Weile haben.
Saldierende Stromzähler
Wer seinen Solarstrom, wie ich, über eine normale Schuko-Steckdose
einspeist, der beglückt nur eine der drei Phasen des Stromnetzes
mit den selbstgemachten kWh. Wer nun meint, dass er seine Waschmaschine
oder seinen Kühlschrank nun ins Wohnzimmer schleppen müsste,
damit er auf der gleichen der drei Phasen seinen Solarstrom vorrangig
selber nutzen kann, der kann sich das sparen: die heute installierten
Zählertypen sind saldierend.
Saldierend bedeutet: der Zähler misst den Verbrauch auf allen drei
Phasen, zählt diese zusammen und zählt nur Stromverbrauch,
dessen Summe mehr als Null ist. Wird also auf einer Phase mehr Strom
eingespeist als auf dieser Phase verbraucht wird, dann ist der Verbrauch
auf dieser Phase negativ. Durch das Saldieren wird diese Einspeisephase
mit den beiden anderen verrechnet. Der eingespeiste Strom geht also voll
auf Deine Rechnung, durch die einphasige Einspeisung geht nix verloren.
Wer sicher gehen will, dass der Zähler saldierend zählt, kann
seinen Zählertypen auf dem Typenschild des Zählers ablesen und
diesen Zählertyp im Internet suchen und nach dem Stichwort
"saldierend" fahnden. Da erfährt man dann auch gleich noch
andere Eigenschaften des Zählers.
Das muss man aber nur machen, wenn der Zähler schon etwas betagter
ist. Die ganz uralten Zähler ("Ferraris-Zähler", die
mit der Drehscheibe) waren auch schon saldierend, hatten aber noch keine
Rücklaufsperre, sodass sie tatsächlich rückwärts liefen,
wenn die Einspeisung größer war als der Verbrauch auf allen drei
Phasen.
Vorsicht: Im Internet kursieren auch andere Aussagen, die behaupten, dass
man nur sehr wenig von dem eingespeisten Strom habe oder die Phasen
entsprechend umklemmen müsse. Obacht! Die sind definitiv falsch!
Die Rentabilität
Wer nun meint, er könne mit so einer Anlage viel verdienen: hier meine
vorläufige Rentabiliätsrechnung, die die Monate Mai bis Oktober
2023 umfasst.
Voraussichtlich wird die Anlage in diesem Jahr und bis April 2024 insgesamt
791 kWh Strom erzeugt haben. Davon verwende ich ca. 30% selbst, 70%
gehen für umme an meinen Versorger, die Entega. Meine
Strombeschaffungskosten betragen ca. 40¢/kWh, die der Entega ca.
7¢/kWh. Daraus ergeben sich Ersparnisse pro Jahr von ca. 95€
für mich und ca. 39€ für meinen Versorger Entega.
Von den ca. 1.000€, die die Anlage gekostet hat, hat mir die Stadt
Darmstadt 400€ als Zuschuss zukommen lassen. Bleiben für mich
ca. 600€ Kosten über. Bei meinen jährlichen Ersparnissen
durch den erzeugten und selbst verbrauchten Strom brauche ich ca. sechs
Jahre, bis sich die Investitionskosten rentieren. Bei meinem Versorger
Entega wären es 26 Jahre, wenn er die Anlage selbst errichtet
und auch bezahlt hätte (was er nicht hat). Bei 40 Jahren
Lebensdauer, die so eine Anlage hat, ist das alles recht langatmig.
Über die CO2-Emissionen, die bei der Herstellung der
Solarmodule angefallen sind, gibt mir der Lieferant trotz Nachfrage
keine Daten. Ich habe daher aus der Literatur einen Aufwand von ca.
6.000 kWh für die beiden Module abgeschätzt. Demnach
braucht es 7,6 Jahre, bis die für die Herstellung aufgewendeten
CO2-Emissionen egalisiert sind und die Anlage dann
tatsächlich einen positiven Klimaeffekt haben wird. Bis dahin werde
ich dann Achtzig Jahre alt und werde es wahrscheinlich nicht mehr erleben.
Interessant: Wenn ich sterbe, dann kann der Nachmieter in meiner Wohnung
zwar die Anlage weiter nutzen und kann Kilowattstunden gutschreiben, ich
aber muss der Stadt Darmstadt die 400€ aus meiner Erbmasse wieder
zurückbezahlen. Noch so ein elendiges Bürokratiemonster: nicht
die Anlage kriegt einen Zuschuss, sondern ich als Person.
Fazit
Innerhalb weniger Tage mache ich Strom. Alles, bis auf die Anmeldung, ziemlich
einfach und für Menschen, die einen 10-er (für das Anbringen der
geneigten Träger) sowie einen 12-er Schraubenschlüssel (für
das Anbringen des Wechselrichters an einem der beiden Module) zu Hause in der
Bastelkiste haben, gut machbar. Man braucht keinen Installateur, nur etwas
Tragkraft für die schweren Pakete (oder einen bzw. zwei kräftige
Nachbarn, die einem dabei helfen).
Und: reich wirste davon nicht!
©2023 by Gerhard Schmidt, Kastanienallee 20, D-64289 Darmstadt